Was sucht mit Familien macht

Gedanken eines betroffenen Vaters

Sucht ist eine Krankheit, von der alle Familienmitglieder mit betroffen sind und in einen Teufelskreis gezogen werden. Egal ob der Süchtige ein Kind, der Bruder oder die Schwester, ein Partner oder ein Elternteil ist. Es ist auch egal um welche Sucht es sich handelt, die Auswirkungen auf die Familie sind dieselben.

In einer Familie, in der ein Mitglied über Jahre trinkt, Drogen konsumiert, glückspiel- oder mediensüchtig ist, wird jedes Familienmitglied früher oder später zwangsläufig krank. Sucht macht für die Angehörigen das Leben unberechenbar. Keiner weiß, was wann passiert, wie er damit umgehen soll und wie es weitergeht. Die Beziehungen untereinander sind oft hochgradig gestört. So wie der Süchtige, schleichend mehr und mehr in die Abhängigkeit gerät, rutscht der Angehörige mehr und mehr in die Co-Abhängigkeit.

Was ist Co-Abhängigkeit? Es ist der Zustand in dem sich Angehörige befinden, wenn sie das Verhalten des Süchtigen vor seiner Umwelt entschuldigen, für ihn lügen, ihm seine Probleme aus dem Weg räumen und seine Aufgaben für ihn erledigen. Damit ermöglichen sie ihm ein Leben in Sucht, sie machen sich sozusagen, zum Helfershelfer der Sucht.

Dieses Verhalten ist ungemein anstrengend, führt Angehörige an die Grenzen der eigenen Gesundheit und bringt oft psychosomatische Störungen mit sich. Warum verhalten sie sich trotzdem so? Aus Liebe, Loyalität, zur Selbsterhaltung, aus Verantwortungsgefühl, Mitleid oder Naivität? Wahrscheinlich ist von allem etwas dabei! Es klingt hart, ist aber oft tatsächlich so:

Angehörige glauben, dass der Abhängige ohne ihre Hilfe lebensunfähig ist.

Dem Abhängigen signalisiert dieses Verhalten: Ich bin hilflos, unfähig, abhängig vom Angehörigen und ich kann mein unverantwortliches Verhalten weiterführen.

Die andere Seite der Medaille ist die: So wie der Süchtige sein Suchtmittel konsumieren oder haben will, will ihm der Angehörige dieses wegnehmen. Der Süchtige verharmlost, der Angehörige beschuldigt. Für den Einen ist das Suchtmittel Gift, für den Anderen Medizin - Fluch und Segen. Der Angehörige kontrolliert, der Süchtige verheimlicht und versteckt. Hier Vorwürfe, dort Rechtfertigungen, hier Drohungen - dort Versprechen usw. Ein ambivalenter Zustand.

Auf der einen Seite ist der Angehörige für den Süchtigen ein Verbündeter, der ihm sein süchtiges Verhalten möglich macht, auf der anderen Seite ein Feind, der ihm sein Suchtmittel, wegnehmen will. Für den Angehörigen ist der Süchtige einerseits Not leidend und hilfebedürftig, für den es sich aufzuopfern gilt. Andererseits ist dieser nicht bereit, sich therapieren zu lassen. Eine ausweglose Situation!

Viele sagen, das Suchtmittel sei das Problem. Ich glaube, bei genauerem Hinschauen, dass LEUGNEN das Problem ist. Damit meine ich nicht das Vertuschen nach außen hin. Mit Leugnen meine ich bewusstes oder unbewusstes Verdrängen, Ablehnen, nicht wahrhaben wollen, nicht akzeptieren, nicht annehmen, Widerstand leisten.

Der Süchtige leugnet, dass er ein Problem hat, obwohl er weiß, dass mit ihm etwas nicht stimmt. Er konsumiert oder spielt mehr als er zugibt und oft heimlich. Würde er sich das eingestehen, müsste er die Konsequenz daraus ziehen - Abstinenz.

Der Angehörige leugnet, dass Sucht eine Krankheit ist, die er nicht heilen kann und er will nicht wahrhaben, dass er selbst unter dieser Krankheit in Form von Co-Abhängigkeit leidet.

Was kann der Co-Abhängige tun, um aus diesem Dilemma heraus zu kommen? Meiner Meinung nach genau dasselbe wie der Süchtige. Er darf, er kann, er muss kapitulieren! Er muss sich genauso wie ein Suchtkranker eingestehen, dass er dem Suchtmittel gegenüber machtlos ist. Kapitulation ist eine aktive Handlung. Damit breche ich den Widerstand. Ich akzeptiere die Situation so wie sie ist. Das heißt noch lange nicht, dass ich sie für gut heißen muss.

Wenn ich als Angehöriger erkenne, ich kann etwas für mich tun, ich muss nicht mehr so weitermachen wie bisher, ich darf mich ändern, meine Sichtweisen, meine Verhaltensmuster, wenn ich bereit bin, eine gründliche Inventur zu machen, dann bin ich auf dem richtigen Weg. Wenn ich mich in einer ehrlichen und schonungslosen Selbstreflexion frage: Warum habe ich das so lange mitgemacht? War es Angst oder war es Liebe? Vielleicht aus Gewohnheit, Faulheit oder gar Masochismus? Bin auch ich irgendwo, irgendwie abhängig - vielleicht abhängig davon gebraucht zu werden? Warum ist das so?

Will ich mein Leben wirklich so leben?

An dieser Stelle kann ich nur empfehlen Hilfe und Unterstützung von außen zu holen und anzunehmen. In einer Therapie oder in Selbsthilfegruppen können Autonomie, konsequentes Handeln und das Ablegen falscher Verantwortungsgefühle erlernt werden. Autonomie bedeutet für mich in diesem Zusammenhang: Ein selbst bestimmtes Leben, indem ich meine Bedürfnisse, mein Wohlbefinden, meine Interessen respektiere und darauf achte, mir diese nicht von jemand anderem, für dessen Interessen und Bedürfnisse, nehmen zu lassen.

Wenn mir das gelingt, dann bin ich auch wirklich glaubwürdig, wenn ich zum Süchtigen sage: Wenn du trinken, kiffen, spielen, zocken willst, dann ist es deine Sache. Der spürt dann schon, dass das kein Vorwurf, oder Verachtung oder eine Drohung ist. Durch mein verändertes Verhalten besteht die Hoffnung, dass auch der Süchtige sich ändert. Wenn ich davon überzeugt bin, kann ich sagen: "Ich weiß, dass du eines Tages aufhören kannst". Die Betonung liegt auf "du kannst."

Wenn ein Weg aus der Sucht gelingt, was garantiert keine Selbstverständlichkeit ist, bedeutet das nicht, dass alles so wird wie es früher war und jetzt wieder gut ist. Vieles wird anders sein und ein gesundes Familienleben kann nur dann funktionieren, wenn weiterhin alle Beteiligten zu Veränderung und Entwicklung bereit sind und dafür etwas tun.

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